Die Diskussion ums Leistungsschutzrecht ist einfach köstlich. Es macht richtig Spaß, das Geschehen rund um dieses kuriose Gesetzt zu verfolgen. In diesem Beitrag möchte ich das Thema mal aus einer anderen Perspektive betrachten:
- Wie wirken sich die jüngsten Änderungen auf die Google-Suche aus?
- Was ändert sich für den Suchenden?
- Welche Trafficveränderungen sind zu erwaten?
Kleiner Rückblick: Entstehung des Leistungsschutzrechtes
Wir erinnern uns: Ein Vielzahl von Verlagen organisieren sich im Januar 2013 als „VG Media“ und fordern ein Gesetz, dass ihre wertvollen Online-Inhalte schütz. Dabei geht es besonders um Suchmaschinen und Aggregatoren, die Ausschnitte der Verlagsinhalte auf ihren Suchergebnissen und News-Übersichten darstellen. Die Verlage sehen durch diese Textausschnitte ihre Rechte verletzt und kritisieren das Geschäftsmodell der Suchmaschinen.
Kurios bis hierhin: Die Verlags-Websites profitieren ja direkt durch die Suchmaschinen, denn den Großteil ihrer Besucher (mit denen ja auch die Verlage ihr Geld verdienen) bekommen sie natürlich aus diesen Quellen. Es kann also nicht das Ziel der Verlage sein, dass die Suchmaschinen deren Angebote aus dem Index schmeißen. Ziel ist wohl vielmehr eine „angemessene Vergütung“ für die Nutzung der Textausschnitte. Die Verlage wollen also weiterhin (kostenlos!) Besucher über Google und Co. erhalten und dafür zukünftig auchnoch bezahlt werden!
Mit gesundem Menschenverstand ist das schwer nachvollziehbar, dennoch drücken die Verlage ein entsprechendes Gesetz durch den Bundestag. Das Leistungsschutzrecht legt fortan fest, dass auch kleine Textausschnitte zukünftig nichtmehr ohne das Einverständnis der Rechteinhaber genutzt werden dürfen. Nur die Überschrift und der Link sind von diesem Schutz ausgenommen.
Felix Beilharz hat die bisherigen Geschehnisse wunderbar plakativ zusammengefasst.
Kleine Suchanbieter entfernen Angebote der VG-Media Verlage
Damit ist die Geschichte natürlich noch nicht zu ende. Verständlicherweise kommt es für Google und andere Suchverzeichnisse nicht in Frage, für die Textausschnitte zu bezahlen. Wie sollte so eine Vergütung auch aussehen? Und wem bezahlt man diese? Allen journalistischen Websites? Nur den Verlagen? Nur damit man diesen dann weiterhin kostenlos Besucher vermitteln kann? Logische Reaktion ist also, dass die Suchmaschinen die fraglichen Inhalte entfernen, um dem neuen Gesetz gerecht zu werden. Im September 2014 entfernen einige kleinere deutsche Suchanbieter die Onlineangebote der VG-Media Mitglieder komplett aus den Suchergebnissen. Websites wie bild.de, welt.de oder abendblatt.de sind über die Suche bei web.de, GMX und T-Online seit dem nichtmehr auffindbar. Es gibt sie dort einfach nicht mehr.
Das ist ärgerlich für alle. Die Suchanbieter können ihren Usern keine umfassende Übersicht mehr liefern, da die Verlagsangebote ausgefiltert werden müssen. Und die Verlage sind vom Besucherzustrom abgeschnitten. Profitieren tut hier niemand. Da es sich zunächst nur um verhältnismäßig kleine Suchanbieter handelt, sind die Auswirkungen auf die Besucherzahlen vermutlich noch überschaubar. Doch jetzt, im Oktober 2014, wird’s richtig interessant: Auch Google reagiert nun auf die neue Gesetzeslage!
Google.de entfernt Textausschnitte der VG-Media Mitglieder
Der Suchmaschinengigant kündigt an, ab 9. Oktober 2014 keine Textausschnitte der VG-Media Mitglieder mehr anzuzeigen. Weder in der Google-Websuche, noch in Google-News. Anders als die kleinen Suchmaschinen entfernt Google die Treffer nicht komplett, sondern reduziert die Inhalte auf die vom Leistungsschutzrecht ausgenommenen Bestandteile. Es werden also nurnoch die Überschriften und Links genutzt. Keine Bilder, keine Textausschnitte! Ein cleverer Zug von google! So bewegt sich der Suchanbieter wieder im gesetzlichen Rahmen und macht sich trotzdem nicht durch eine Auslistung der Verlagsangebote angreifbar (Stichworte Monopol und Kontrahierungszwang).
Das Bundeskartellamt hat im August 2014 aufgrund einer Beschwerde der VG-Media bereits klargestellt, dass man Google nicht zur lizenzpflichtigen Verwendung der Verlagsinhalte zwingen könne! Auszug des Schreibens:
Eine kartellrechtliche Verpflichtung Googles zum entgeltlichen Erwerb von Leistungsschutzrechten ist aus Sicht der Beschlussabteilung nicht anzunehmen. Eine Pflicht von Google zur Darstellung der Webseiten deutscher Presseverlage in einem so großen Umfang, dass das Leistungsschutzrecht nach § 87f UrhG berührt würde, kommt aus Sicht der Beschlussabteilung ebenfalls nicht in Betracht.
Die Verlage sind natürlich trotzdem empört, und bezichtigen Google nun in einer Pressemitteilung der Erpressung. Schließlich würden die Inhalte der VG-Media-Mitglieder jetzt anders behandelt als andere Onlineangebote. Das ist ja auch richtig. Aber was soll Google denn anderes machen? Schließlich stellen alle anderen Betreiber (darunter auch journalistische Angebote) ihre Textausschnitte gern kostenlos zur Verfügung, um im Gegenzug kostenlos Besucher zu erhalten, während die VG-Media Verlage das ja ausdrücklich verbieten. Ein wenig Schizophren ist die Sichtweise der VG-Media-Mitglieder demnach irgendwie schon. Vermutlich ist das Ziel, die rechtliche Ausseinandersetzung auf die Spitze zu treiben und am Ende eine Art GEZ-Abgabe für Printverlage durchzudrücken. Denn eine öffentliche Gebühr oder Steuer wäre in meinen Augen der einzig logische Ausweg aus diesem Dilemma, bei dem die Verlage tatsächlich einen Vorteil erzielen würden.
Eine Bewertung der aktuellen Geschehnisse samt lebhafter Diskussion findet sich bei Stefan Niggemeier.
Die Auswirkungen für Google, für Suchende und für die beteiligten Verlage möchte ich jetzt mal etwas näher betrachten.
Auswirkungen des LSR auf die Google-Suche
Ab 09.10.2014 werden die Suchergebnisse bei google.de also wie folgt aussehen: Sucht man nach einem Suchbegriff, für den es Treffer auf VG-Media Mitgliedsangeboten gibt, werden diese ohne Snippet dargestellt, während andere Suchtreffer wie gewohnt mit passendem Textausschnitt angezeigt werden.
Hier ein Screenshot, wie die Snippet-Entfernung in der Google-Suche ab 9. Oktober aussehen würde:
Auswirkungen der Snippet-Entfernung aus User-Sicht
Für den Suchenden ist diese verkürzte Darstellung natürlich Mist. Nur mit dem Textausschnitt kann man richtig einschätzen, ob der Treffer zielführend ist. Die Google-Suche verliert durch die Einschränkung also an Attraktivität bzw. Userfreundlichkeit. Der Aufwand für den Suchenden, die benötigte Information zu finden, erhöht sich. Die Nutzung der Suchmaschine wird erschwert.
Mögliche Szenarien des Userverhaltens:
- Die verkürzten Treffern werden einfach ignoriert und die Aufmerksamkeit konzertiert sich auf die ausführlichen Ergebnisse der anderen Websites. Das wäre für die Verlage natürlich die ärgerlichste Situation, denn die Besucherzahlen würden massiv sinken.
- Auch möglich: Die verkürzten Treffer werden erstrecht angeklickt, um den jeweiligen Text zu prüfen. Ohne das Snippet kann der User nicht bewerten, ob der Treffer relevant ist und wird dadurch quasi gezwungen, die Ziel-Website zu besuchen. Dies wäre dann also sogar ein positiver Effekt für die Verlage, da die Besucherzahlen steigen würden.
- Es könnte sogar sein, dass der Durchschnittsuser die verkürzten Treffer schnell mit einer gewissen Qualität verknüpft (da es sich ja immer um Verlagsangebote handelt), und diese Ergebnisse daher bevorzugt besucht. Auch dies wäre für die Verlage natürlich positiv.
Wenn ich jetzt tippen müsste, wird es vermutlich eine Mischung aus allem und die Trafficveränderung hält sich in Grenzen. Eigentlich würde ich den Verlagen gönnen, dass der Besucherstrom massiv einbricht, schließlich haben Sie die Situation selbst herbeigeführt. Außerdem würden so andere Webseiten davon profitieren, die dann entsprechend mehr Besucher abbekommen.
Leidtragender ist in jedem Fall der User, und damit verbunden natürlich auch Google. Denn Google kann die Suchergebnisse nichtmehr optimal aufbereiten und erschwert dem Suchenden unfreiwillig seine Informationsbeschaffung. Die Auswirkungen auf die Besucherzahlen der Verlage muss man abwarten, es ist schwer das Szenario im Voraus zu bewerten.
Ich arbeite übrigens selbst in einem mittelgroßen deutschen Verlag, die Rechte meines Arbeitgebers werden aber (meiner Meinung nach zum Glück!) nicht durch die VG-Media vertreten. Konkrete Daten zur Trafficverschiebung kann ich daher leider vermutlich nicht liefern. Es sei denn es gibt bei uns einen spürbaren Besucheranstieg (durch die Benachteiligung anderer Verlage), dann berichte ich euch natürlich hier.
Liste der VG-Media Websites und Verlage
Welche Websites sind denn nun überhaupt betrofffen? Abschließend hier noch eine (nicht vollständige) Liste der Websites der VG-Media Mitglieder, die von der Änderung betroffen sind. Diese Internetseiten sind bereits jetzt über kleinere Suchdienste nicht mehr auffindbar und werden zukünftig bei Google ohne Textausschnitt dargestellt.
Betroffene Internetangebote der Pressverlage
- abendblatt.de
- augsburger-allgemeine.de
- autobild.de
- berliner-zeitung.de
- bild.de
- bunte.de
- bz-berlin.de
- chip.de
- computerbild.de
- derwesten.de
- die-glocke.de
- dnn-online.de
- express.de
- freundin.de
- goettinger-tageblatt.de
- harzkurier.de
- haz.de
- hoerzu.de
- ksta.de
- ln-online.de
- lvz-online.de
- merkur-online.de
- mopo.de
- morgenpost.de
- op-marburg.de
- oz-online.de
- playboy.de
- rp-online.de
- shz.de
- tz.de
- waz-online.de
- welt.de
- wz-newsline.de
Eine vollständige Liste der betroffenden Onlineangebote findet sich hier bei der VG-Media.
Liste der in VG-Media organisierten Verlage
- ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
- Antenne Niedersachsen GmbH & Co.
- ANTENNE THÜRINGEN GmbH & Co. KG
- Aschendorff Medien GmbH & Co. KG
- Axel Springer SE
- bigFM in Baden-Württemberg GmbH & Co. KG
- Burda Gesellschaft mit beschränkter Haftung
- Evangelischer Presseverband Norddeutschland GmbH
- Funk & Fernsehen Nordwestdeutschland Marketing-
- und Vertriebs GmbH & Co. KG
- FUNKE MEDIENGRUPPE GmbH & Co. KGaA
- Mediengruppe M. DuMont Schauberg GmbH & Co. KG
- Münchener Zeitungs-Verlag GmbH & Co. KG
- N24 Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen mbH
- Presse-Druck und Verlags-GmbH
- ProSiebenSat.1 Media AG
- RADIO/TELE FFH GmbH & Co. Betriebs-KG
- Radio Regenbogen Hörfunk in Baden GmbH & Co. KG
- REGIOCAST GmbH & Co. Kommanditgesellschaft
- Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft mbH
- Rheinland-Pfälzische Rundfunk GmbH & Co. KG
- sh:z Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag GmbH & Co. KG
- TOP Radiovermarktung GmbH & Co. KG
- Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG
- VMG Verlags- und Medien GmbH & Co. Kommanditgesellschaft
- ZGO Zeitungsgruppe Ostfriesland GmbH
Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die weitere Entwicklung und die Rektionen der Verlage am 9. Oktober. Das dürfte noch sehr unterhaltsam werden! 😀
Lesetipp: Auch Karl Kratz betrachtet das Thema und die Lage der „Totholzbranche“ auf erfrischende Weise in seinem Onlinemarketing-Blog.
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