Nachtrag 19.08.2017: Ich denke es ist unumstritten, dass der Anschlag in Barcelona bei Facebook weniger präsent war, als andere Terroranschläge (z.B. Paris oder Nizza). Irgendwas muss sich also seitdem verändert haben. Das könnten theoretisch natürlich auch nur die User sein, die sich anders verhalten. Oder eben eine strategische bzw. technische Veränderung bei Facebook selbst. Ich vermute inzwischen, es ist wohl eine Mischung aus beidem:
Der Algorithmus hinter dem Facebook-Newsstream versucht uns immer dass zu zeigen, was wir vermutlich sehen wollen (und dazwischen natürlich etwas Werbung). Die Inhalte werden für uns gefiltert und priorisiert. Das basiert auf Interessen, Reaktionen Anderer, bestimmten Einstellungen und vielen weiteren Details.
Schon eine kleine Reichweitenanpassung für das Thema „Terror in Barcelona“ würde vermutlich zu einem geänderten Nutzerverhalten führen. Viele Beileidsbekundungen und Anteilnahmen werden ja gepostet, weil gefühlt alle anderen es auch machen. Sehen also weniger User solche Meldungen in ihrem Newsstream, tritt auch ein verringerter Lawineneffekt ein. Es entstehen dann folglich tatsächlich weniger Inhalte zu eben diesem Thema.
Dass Facebook die eigene Strategie zum Thema Terroranschläge geändert hat, kann man z.B. auch bei BusinessInsider nachlesen.
Bitte beachten: Einige Leute, die ich generell als kompetent einstufe, sind sich sicher, dass diese Theorie hier quatsch ist. Letztendlich kann ich nichts belegen, und mir demzufolge auch nicht sicher sein. Aber ich bin auch nicht 100% überzeugt, dass der Newsfeed-Algorithmus die Verbreitung der Barcelona-Posts nicht negativ beeinflusst hat.
Der Artikel bleibt hier stehen, macht euch aber bitte ein eigenes Bild! Ihr findet hier keine Fakten, sondern nur meinen persönlichen Eindruck!
Nach dem mutmaßlichen Terroranschlag in Barcelona hat Facebook offenbar einen Content-Filter aktiviert. Das wirkt sich aktuell (17.08.2017, 22 Uhr) wie folgt aus:
Sämtliche Inhalte zu „Barcelona“ werden gefiltert
Inhalte zu dem schrecklichen Anschlag werden scheinbar vollständig aus dem Newsfeed ausgefiltert. Das Betrifft auch reine Textbeiträge wie zum Beispiel Beileidsbekundungen. Scrollt man also durch die letzten Meldungen, sieht man nahezu nichts zu Barcelona. Der Anschlag ist nicht präsent in der Timeline, oder zumindest nur sehr gering. Als wäre nichts passiert.
Bei vergangenen Anschlägen war Facebook innerhalb weniger Minuten voll von Beileidsbekundungen und Spekulationen. Diesmal: Nichts! Kein einziges Bild mit Trauerschleife, keine einzige Flagge von Katalonien. Keine dubiosen Theorien, keine Falschmeldungen, nur ein paar offizielle Nachrichtenquellen.
Spekulation: Das kann ein Filter sein, oder Möglicherweise sogar eine Art „freeze“ des ganzen Netzwerkes. Denkbar wäre, das aktuell jeder nur solche Barcelona-Inhalte im Stream sieht, die
- zeitlich vor dem Terroranschlag veröffentlicht wurden
- oder von einer vertrauenswürdigen Quelle stammen (Whitelist?)
- oder von engen Freunden stammen
- oder die aktiv aufgerufen wurden (z.B. durch gezieltes öffnen eines Profils)
Es könnte natürlich auch sein, dass dieses Verhalten von Facebook auf bestimmte Gruppen limitiert ist. Vielleicht sehen also nur die User hier in meiner Region (Niedersachen) nichts. Oder nur die User, die schonmal nach Spanien gereist sind. Oder nur solche, die sich in der Vergangenheit zu Terroranschlägen nicht geäußert haben. Technisch denkbar ist da vieles…
Das erlebe ich so zum ersten Mal. Bisher kannte man nur den „Safety Check“ bei solchen schrecklichen Ereignissen. Man konnte zwar schon immer mutmaßen, dass Facebook solche Filtermöglichkeiten hat, deren Einsatz habe ich aber noch nie wahrgenommen. Jedenfalls nicht in einem so deutlichen Ausmaß. Eine solche „Echtzeit-Filterblase“ ist ein sehr mächtiges Werkzeug. Da kommen mir viele (auch sehr negative) Anwendungsfälle in den Sinn. Beängstigend!
Kurz nach dem Anschlag in Barcelona wurde laut Medienberichten dazu aufgerufen, Katzenbilder zum Hashtag #Barcelona zu posten, um so unangemessene Inhalte zu verdrängen. Auf Twitter sind dem offenbar auch einige User nachgekommen. Bei Facebook hat wohl stattdessen der Filter seinen Dienst verrichtet.
Auswirkungen der Filterblase zum Terroranschlag in Barcelona
Normalerweise versteht man unter einer „Filterblase“ ja, dass man eben nur Inhalte der selbst gewählten Freunde angezeigt bekommt. Diese Freunde sind eine ganz konkrete Auswahl, kein repräsentativer Schnitt der Bevölkerung. Überspitzt: Hat man also nur Nazi-Freunde, sieht man nurnoch Nazi-Inhalte. Die ganze Welt dreht sich nurnoch um Nazis. Eine solche Filterblase auf Basis der Freundesauswahl ist schlimm, aber aus technischer Perspektive nachvollziehbar. Im Fall Barcelona übernimmt Facebook nun quasi die Auswahl fürs gesamte Netzwerk. Niemand sieht Barcelona (bzw. nur in geringem Umfang), also ist das Thema gefühlt nicht präsent.
Wir erinnern uns: Im Zuge der US-Wahl 2016 sollen solche Facebook-Filterblasen den Wahlsieg für Donald Trump begünstigt haben. Das ist aber umstritten und wurde nie belegt.
Spekulationen zum Hintergrund des Facebook-Filters
Warum Facebook den Content so massiv filtert, weiß ich natürlich nicht. Ich stelle mal ein paar Theorien auf:
- Eine Regierung bzw. die Polizei oder andere Behörden haben Facebook akut um den Filter gebeten, um Informationen vor den mutmaßlichen Attentätern oder Hintermännern geheim zu halten. Das könnte Ermittlungstakttisch ja durchaus Gründe haben.
- Inhalte zu einem Terroranschlag sind sehr polarisierend, dabei entsteht viel „hate speech“ verschiedenster Gruppen. Solche Inhalte muss Facebook per Gesetzt löschen. Häufen sich sehr viele Löschkandidaten in sehr kurzer Zeit, könnte Facebook einen solchen Filter einfach aus logistischen Gründen aktivieren. Also quasi: „Wegen Überfüllung geschlossen“.
- Besonders makaber fände ich rein wirtschaftliche Gründe: Facebook kann seine Werbung sicher besser in positivem Content ausspielen, als in Terror-Beiträgen. Als alleinigen Grund kann ich mir das aber eigentlich nicht vorstellen.
Morgen (bzw. in den nächsten Tagen) wird sich zeigen, ob der Filter allgemein wahrgenommen wurde. Ich fände es wünschenswert, sowas auch in den Massenmedien zu diskutieren! Schließlich ist dem Durchschnittsuser wahrscheinlich nicht bewusst, wie sehr sich sein Weltbild durch solche Mechanismen beeinflussen lässt.
Eigene Facebook-Posts werden blockiert
Versucht man selbst einen Beitrag zu „Barcelona“ zu veröffentlichen, erscheint dieser erst zeitverzögert auf dem eigenen Facebook-Profil. Möglicherweise findet eine Art Moderation oder Klassifizierung statt. Und auch nachdem ein Beitrag dann erschienen ist (hat bei meinem Test einige Minuten gedauert), erzielt er offenbar keine Reichweite. Andere Personen sehen den Beitrag also vermutlich garnicht, nur in geringer Anzahl, oder nur beim expliziten Aufruf des Profils.
Twitter offenbar nicht betroffen
Bei Twitter ist die Timeline voll von Tweets zu den Anschlägen in den „Las Ramblas“. Dort wird also scheinbar nicht gefiltert, oder zumindest sehr viel dezenter. Andere Social Media Netzwerke habe ich nicht überprüft.
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